
Einige meiner Newsletterempfänger haben mich gebeten zu beschreiben, wie ich mit der DS-GVO umgehe. Im Moment kursieren nämlich die abenteurlichsten Behauptungen und Fehlrückschlüsse, was sich durch die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) und das Bundesdatenschutzgesetz neue Fassung (BDSG n.F.) für Fotografen alles ändert: "Street Photography ist ab jetzt verboten", "Model-Verträge sind ungültig und müssen komplett neu eingeholt werden.", "Fotos auf Familienfeiern sind ohne schriftliche Einverständniserklärung der Fotografierten nicht mehr zulässig" usw.
Als freiberuflich tätiger Fotograf, Newsletter-Versender, Web-Shop- und Homepage-Betreiber habe ich mich selbstverständlich auch mit der DSGVO auseinandergesetzt und habe hierzu hilfreiche Artikel gefunden, auf die ich meine nachfolgend geschilderte persönliche Interpretation stütze.
Rechtlicher Hinweis: Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass es sich hierbei um meine persönliche, nicht juristisch fundierte Meinung und Interpretation der aktuellen Rechtslage handelt und ich selbstverständlich auch keine Rechtsberatung vornehmen kann und darf. Insofern übernehme ich auch keinerlei Haftung oder Gewährleistung für die Richtigkeit und Vollständigkeit meiner im Folgenden gemachten Ausführungen.
Was verständlicherweise zu einer gewissen Unsicherheit bei der Interpretation der DS-GVO und des BDSG n.F. beiträgt ist der Umstand, dass zu einem Gesetz (oder hier einer EU-Verordnung und einem Gesetz) auch immer eine Konkretisierung durch die Anwendung der Rechtslage gehört - also der Rechtsprechung vor Gericht. Naturgemäß kann es zur DS-GVO und zum BDSG n.F. im Moment noch keine Rechtsprechung geben, beide sind erst seit ein paar Tagen anzuwenden. Auch daher sind die Interpretationsspielräume noch recht groß. Grundsätzlich gilt weiterhin, dass die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen (der Fotografierten) und die berechtigten Interessen des Verantwortlichen (also des Fotografen) gegeneinander abgewogen werden müssen. Diese Abwägung der Interessen war schon beim alten BDSG so und ist dem Datenschutzrecht immanent. Auch dies führte bisher schon zur Verunsicherung und wird mit der DS-GVO leider auch nicht einfacher.
Die inhaltliche Beschäftigung mit dem Thema hat bei mir aber zu der Überzeugung geführt, dass sich so viel gar nicht ändert:
Was bisher erlaubt war, bleibt es grundsätzlich auch. Was bisher nicht erlaubt war, bleibt auch weiterhin nicht erlaubt. Leider gilt aber auch: Was bisher schon nicht eindeutig geregelt war, wird mit der DS-GVO auch nicht greifbarer.
In Bezug auf die Erstellung von Fotos gilt, dass dies bisher nicht nur durch durch das BDSG a.F. (alte Fassung) geregelt war, sondern insbesondere durch das Kunsturhebergesetz (KunstUrhG), das interessanterweise aus dem Jahre 1907 datiert und damals bereits das "Recht am eigenen Bild" definierte, was bis heute weiter so Bestand hat. Wichtig ist hierbei, dass das Kunsturhebergesetz NICHT von der DSGVO abglöst wird.
Die beiden besten Artikel zu dem Thema habe ich zum einen beim Deutschen Verband für Fotografie e.V. und bei der fotocommunity gefunden. Leider sind beide Artikel "etwas länglich", was wohl daran liegt, dass sie von Juristen geschrieben wurden, die ihrerseits versucht haben, ihre Auslegungen zu belegen. Ich versuche das mal abzukürzen:
- Die Verbreitung und zur Schaustellung von Fotografien war bisher und ist auch zukünftg nur mit Einwilligung der Abgebildeten zulässig (siehe §22 KunstUrhG). Das bleibt auch so. Die DS-GVO sieht die Erstellung und Veröffentlichung von Fotografien darüber hinaus als Form der "Datenverarbeitung" an, die ebenfalls grundsätzlich ohne Einwilligung nicht erlaubt ist.
- Die aktuelle Rechtsprechung bezieht sich nicht nur auf die Veröffentlichung, sondern auch auf die Erstellung einer Fotografie. Auch hierfür war bereits bisher schon eine Einwilligung erforderlich.
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Daraus folgt, dass nur derjenige Fotograf, der eine Einwilligung der abgebildeten Personen vorlegen kann und der Fotograf, der Personen aufgrund eines Auftrags
(Vertragsverhältnisses) abgelichtet hat, rechtskonform handelt. Ob eine solche Einwilligung aus Gründen der Beweisbarkeit nun schriftlich erfolgt oder der
Fotograf unter Inkaufnahme des damit verbundenen Risikos und im Vertrauen auf die Binsenweisheit "Wo kein Kläger, da kein Richter." darauf verzichtet, weil ihm der Aufwand zu hoch
erscheint, bleibt seine Ermessenssache. Im Streitfall dürfte er ohne schriftliche Einwilligung bzw. Vertrag aber wohl "den Kürzeren ziehen". Das hat aber nichts direkt mit der DS-GVO zu tun,
sondern war vorher auch schon so.
- Das Fotografieren von Landschaften, Stadt-Szenen, sonstigen Örtlichkeiten, aber auch Versammlungen, bei denen Menschen "nur als Beiwerk erscheinen" sind auch ohne Einwilligung der Abgebildeten erlaubt, sofern ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten nicht verletzt wird. Gleiches gilt für Bildnisse, die "[...] nicht auf Bestellung angefertigt werden, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient [...]" (siehe §23 KunstUrhG). Wenn sich also die Street Photography bisher auf diese Rechtslage beruft, kann sie das auch unter der DS-GVO weiterhin tun. Ob sich ein Fotograf damit aber im Streitfall vor Gericht durchsetzen kann, war bisher schon eine Einzelfallentscheidung unter Abwägung der jeweiligen Umstände und wird es wohl auch bleiben. Die DS-GVO ändert an dieser (leider nicht ganz eindeutigen) Rechtslage nichts. Dies als Verbot der Street Photography auszulegen, wäre aber sicher falsch.
- Auf einer Geburstags- oder Hochzeitsfeier sind die geladenen Gäste sicher nicht nur "Beiwerk", daher galt bisher, dass eine Einwilligung der Fotografierten vorliegen muss. Das gilt auch weiterhin. Die praktische Umsetzbarkeit erschien dem Gesetzgeber wohl bisher zumutbar. Ob diese Einwilligung nun einzelvertraglich, durch konkludentes Handeln (also ein stillschweigendes Einverständnis) wie z.B. das Lächeln in die Kamera oder durch einen Eintrag in einer ausliegenden Liste "Ich bin einverstanden, dass von mir auf der Hochzeitsfeier Fotos gemacht werden, Name, Unterschift" erfolgt, ist wohl eine Risikoabschätzung, die jeder Fotograf für sich selbst vornehmen muss. Ob es dazu bereits Urteile gab, weiß ich leider nicht. Ich persönlich denke, "auf der sicheren Seite" ist man, wenn man in der Einladung bereits auf den Umstand hinweist, dass ein Fotograf beauftragt wurde, von den Feierlichkeiten Fotos zur privaten Verwendung durch den Jubiliar bzw. das Brautpaar zu erstellen und wer das nicht möchte, dies dem Einladenden bitte mitteilt, so dass der Fotograf darauf Rücksicht nehmen kann. Auf jeden Fall sollten die Fotos nicht "heimlich" gemacht werden, sondern der Fotograf sollte als solcher erkennbar sein und den Regeln des Anstands folgend zuerst jeweils die vor ihm stehenden Gäste fragen, ob er Fotos machen darf (das kann auch eine Geste sein), bevor er die Kamera hochnimmt und sie fokussiert. Den so Fotografierten kurz die Fotos im Display der Kamera zu zeigen, schafft Transparenz und damit Vertrauen und ist außerdem eine gute Werbung. Umgekehrt sollte jeder Hochzeitsfotograf auch sensibel dafür sein, wenn sich jemand wegdreht, eine abwehrende Handbewegung macht oder den Kopf schüttelt, wenn er die Kamera hebt, um Fotos zu machen. Denn dann kann man wohl nicht mehr von einem stillschweigenden Einverständnis ausgehen und sollte unbedingt auf Fotos dieser Person verzichten. Ärger ist sonst vorprogrammiert. Streng genommen reicht das aber nicht aus, vielmehr müsste jeder Gast, eine Einverständniserklärung unterschreiben oder die Feier wieder verlassen ... umsetzbar ist das aber wohl kaum!
- Private Fotos von Freunden oder Fotos im Familienkreis stellen übrigens keine Datenverarbeitung im Sinne der DS-GVO dar, sofern diese ohne Bezug zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen werden (siehe DS-GVO Ziffer 18).
- Wer einen Vertrag mit einem Model geschlossen hat (Model-Release), muss diesen nicht erneuern, sofern der Vertrag bisher schon rechtens war, freiwillig geschlossen wurde und das Model bei Unterzeichnung mindestens 16 Jahre alt war. Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat hierzu geschrieben, dass "[...] gemäß Erwägungsgrund 171 Satz 3 Datenschutz-Grundverordnung [...] Einwilligungen dann [weiter fortgelten] und es [...] keiner erneuten Einwilligung [bedarf], wenn "die Art der bereits erteilten Einwilligung den Bedingungen dieser Verordnung entspricht". Die Bedingungen für die Fortgeltung bisher erteilter Einwilligungen unter der Datenschutz-Grundverordnung haben die Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder konkretisiert."
- Sehr interessant ist auch die Antwort des Bundesministeriums des Innern (BMI) auf entsprechende Anfragen, welche Konsequenzen die DS-GVO
für Fotografen hat. Das BMI hat ausdrücklich um Weiterverbreitung gebeten, so lange diese ungekürzt erfolgt, dem ich hier gerne nachkomme (die Markierungen im Text wurden von mir
vorgenommen):
"Sehr geehrter Herr X....,vielen Dank für Ihre Anfragen vom 30. April und 03. Mai 2018.Eine Verbreitung dieser Antwort ist wünschenswert, sofern die Antwort vollständig wiedergeben und nicht einzelne Passagen aus dem Zusammenhang gerissen werden.Gerne nehme ich vertiefend zu Ihren Fragen Stellung. Um Wiederholungen zu vermeiden, möchte ich jedoch eingangs erneut betonen, dass sich aus der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und den diese ergänzenden nationalen Gesetzen keine wesentlichen Änderungen der Rechtslage bei der Anfertigung und Verbreitung von Fotografien ergeben.Das Anfertigen von Fotografien wird sich auch zukünftig auf eine - wie bislang schon - jederzeit widerrufbare Einwilligung oder alternative Erlaubnistatbestände wie die Ausübung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO) stützen können. Diese Erlaubnistatbestände (nach geltender Rechtslage Art. 7 der geltenden EU-Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG i.V.m. den nationalen Umsetzungsgesetzen) decken seit vielen Jahren datenschutzrechtlich die Tätigkeit von Fotografen ab und werden in Art. 6 DS-GVO fortgeführt. Die Annahme, dass die DS-GVO dem Anfertigen von Fotografien entgegenstehe, ist daher unzutreffend.Für die Veröffentlichung von Fotografien bleibt das Kunsturhebergesetz auch unter der ab dem 25. Mai 2018 anwendbaren Datenschutz-Grundverordnung erhalten. Es sind, wie ich bereits in meiner Antwort ausgeführt habe, keine Änderungen oder gar eine Aufhebung mit Blick auf die Datenschutz-Grundverordnung vorgesehen.Die Ansicht, das Kunsturhebergesetz werde durch die DS-GVO ab dem 25. Mai 2018 verdrängt, ist falsch. Das Kunsturhebergesetz stützt sich auf Artikel 85 Abs. 1 DS-GVO, der den Mitgliedstaaten nationale Gestaltungsspielräume bei dem Ausgleich zwischen Datenschutz und der Meinungs- und Informationsfreiheit eröffnet. Das Kunsturhebergesetz steht daher nicht im Widerspruch zur DS-GVO, sondern fügt sich als Teil der deutschen Anpassungsgesetzgebung in das System der DS-GVO ein. Eine gesetzliche Regelung zur Fortgeltung des Kunsturhebergesetzes ist nicht erforderlich. Ebenso führen die Ansätze anderer Mitgliedstaaten, die sich in allgemeiner Form zum Verhältnis von Datenschutz und Meinungs- und Informationsfreiheit verhalten, in der praktischen Umsetzung nicht weiter und führen nicht zu mehr Rechtssicherheit.Die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Informationsfreiheit fließt zudem unmittelbar in die Auslegung und Anwendung der DS-GVO ein, insbesondere stellen sie berechtigte Interessen der verantwortlichen Stellen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO dar. Die DS-GVO betont, dass der Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist, sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden (Erwägungsgrund 4). Zu den von der DS-GVO in diesem Zusammenhang genannten Grundrechten zählt ausdrücklich auch die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit.Ich würde mich freuen, wenn die vorstehenden Ausführungen dazu beitragen, Ihnen Ihre Befürchtungen zu nehmen.Mit freundlichen GrüßenIm Auftrag
Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
- Bürgerservice –
- Was allerdings die hier genannte "jederzeitige Widerrufbarkeit" der Einwilligung zur Anfertigungvpm Fotografien betriftt, ist dieses Schreiben allerdings nach Einschätzung einiger Juristen falsch. Entsprechende höchstrichterliche Entscheidungen haben demzufolge klar gemacht, dass man eine erteilte Einwilligung eben nicht jederzeit widerrufen kann. Es gibt vielmehr eine ganze Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen, in denen der Widerruf trotz teilweise nachvollziehbarer Gründe der betroffenen Personen im Sinne der Rechtssicherheit als unzulässig erklärt wurde. Dies ist insofern auch logisch, da beispielsweise einmal in einem Bildband veröffentlichte Fotos, für die eine gültige Einwilligung vorlag, nicht unter Schadenersatz für die Käufer zurückgerufen und vernichtet werden können, nur weil jemand seine Einwilligung für die Bilder widerruft.
MEIN PERSÖNLICHES FAZIT ZUR DS-GVO:
Die Menschenfotografie bleibt schwierig und mit Rechtsunsicherheiten behaftet. - Ich habe darüber hinaus die Datenschutzerklärung meiner Hompage angepasst und ein Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten erstellt, habe meinen Newsletter-Dienstleister gewechselt, werde die von mir versandten Rechnungen um einen Hinweis auf die Verarbeitung und Speicherung der Adress- und Rechnungsdaten ergänzen, werde meine Vertragsvorlagen für Fotokurse mit Blick auf den Datenschutz überarbeiten und in meinem Vertragsmuster für Model-Verträge auf den Umstand hinweisen, dass die Erstellung der Fotos einerseits dem Kunsturhebergesetz unterliegt und andererseits eine Form der Datenverarbeitung darstellt, weswegen auch die DS-GVO von mir beachtet wird. - Darüber hinaus ändert sich für mich nicht viel: Ich habe bisher schon vermieden, Fotos von Menschen zu machen, von denen ich keine schriftliche Einwilligungserklärung hatte. Es sei denn, ich war mir sehr sicher, dass die Fotografierten keine Einwände hatten und sich das auch nicht anders überlegen würden. Hochzeiten zu fotografieren ist mir zu stressig. Sollte ich doch mal wieder in die Verlegenheit geraten, würde ich wie oben beschrieben vorgehen. Street Photography bewegte sich meiner Meinung nach schon immer am Rand der Legalität und wenn ich sehe, wie manche Abgelichteten förmlich überrumpelt und ihnen "die Fotos gestohlen" wurden, fühle ich mich damit auch ethisch/moralisch weiter richtig aufgestellt.
Quellen:
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